Biertradition im Dreiländereck Basel

Meine Zeit in Basel war kurz und prägnant. Neben der Arbeit im Restaurant Stucki genoss ich die Spaziergänge in der Sonne, vom Bruderholz hinunter in die Stadt, die Besuche in den hippen und süßen Kaffeehäusern und die Biere in einer der coolen Bars, die man vor allem außerhalb der Altstadt findet. Das Entdecken von lokalen Produkten gehört mittlerweile schon zu meinen gut gepflegten Traditionen. Und so kam es, dass ich mich auch in Basel etwas umsah und mich schlussendlich auf die Spuren des Basler Bieres machte. Zwei Gespräche später war ich schon um einiges gescheiter und das ist ja der Sinn der Sache!

Ich habe frei und bevor ich in meinem Zimmer Däumchen drehe, gehe ich doch lieber Mal Basler Biergeschichte lernen. Wer kann mir das besser erklären als die zwei wichtigsten Kleinbrauereien?! Beide sind mittlerweile eher Mittelbrauereien, haben aber klein gestartet und maßgeblich die Biertradition Basels oder sogar der gesamten Schweiz beeinflusst. Auf die Frage, wo er sein möchte wenn die Welt untergeht, soll Albert Einstein gesagt haben: „In der Schweiz, dort passiert alles etwas später.“ Die Biertradition litt besonders unter dieser Trägheit des Staates (welche ich hier jedoch weder bestätigen noch widerlegen möchte). Manche Geschichten sprechen nun mal für sich. Zum Beispiel, dass erst 1991 das gesamtschweizerische Bierkartell aufgelöst wurde. Wie der Name schon sagt, haben sich ein paar große Brauereien den Markt aufgeteilt, die Preise abgesprochen und konnten so ohne Wettbewerb billig und qualitativ minderwertig produzieren. So wird es mir erzählt. Eine Gegenbewegung wurde ausgerechnet von einem Radiologen in Basel angestoßen.

Brauerei Fischerstube

1974 kaufte Hans Jakob Nidecker die leerstehende Gastwirtschaft „Fischerstube“ und wollte ein anderes Bier servieren, als das für ihn vorgesehene. Mit Verweis auf die im Bierkartell vorgeschriebene Aufteilung des Gebiets wurde er aufgefordert, Anker-Bier aus Frenkendorf statt das Basler Warteck-Bier auszuschenken. Selbst ein Bier zu brauen war für ihn die einzige logische Schlussfolgerung. Und so baute er mit Hilfe eines deutschen Brauingenieurs die erste Hausbrauerei der Schweiz. Damals wie heute kann man von der Gaststube aus direkt in das Sudhaus und in die offenen Gärbottiche der Brauerei Fischerstube blicken und so dem Prozess des Brauens folgen. „Es hat sich eigentlich nicht viel verändert außer, dass wir mehr und auch saisonale Biere brauen, weil wir mittlerweile mehrere Gaststätten beliefern“, erklärt mir Anita Treml Nidecker, Schwiegertochter von Hans Jakob Nidecker und Geschäftsleiterin der heutigen Brauerei. „Wir haben mittlerweile verschiedene Lagerräume. Da es sich um zwei alte Häuser mitten in der Stadt in Kleinbasel handelt, die verbunden sind, ist die Brauerei stetig – Raum für Raum – gewachsen. Beinahe jede freie Fläche wird verwendet. Aus diesem Grund muss Modernes und Altes Hand in Hand funktionieren.“

Der Blick in das Sudhaus

Das Ueli Bier der Brauerei Fischerstube außerhalb der eigenen zwei Gaststätten – 1992 kam das Nachbarlokal „Restaurant Linde“ hinzu – zu verkaufen, war nie der Plan. „Die Nachfrage, was lokales Bier anbelangt, ist seit jeher ungebrochen und daher mussten wir auch erweitern“, erläutert Frau Treml Nidecker. „Wir sind nach 30 Jahren in das Flaschenbiergeschäft eingestiegen. Davor haben wir nur in Fässer und in den Zwei-Liter-Siphons verkauft, die wir 1984 auf den Markt brachten.“ Die westfälischen Biersiphons finde ich übrigens super. Das schöne Gefäß erlaubt es, das Ueli Bier frisch gebraut und naturtrüb zu Hause zu genießen. Das Beste daran: es ist immer wieder befüllbar – natürlich nach gründlicher Wäsche.

Die westfälischen Biersiphons

Als Lieblingsbier der Kunden würde Frau Treml Nidecker das Ueli Spezial aus ihrem Portfolio nennen. Dieses und die anderen Biere können braufrisch in den zwei erwähnten Gaststätten genossen werden. Ein Geheimtipp für Touristen, die an traditionellen Speisen und urtypischem und regionalem Bier interessiert sind. Auch Führungen durch die Brauerei werden angeboten, was für geschichtlich Interessierte ebenso spannend ist wie für Bierliebhaber. Einen ganzen Hobbybraukurs kann man zum Beispiel bei der Brauerei Unser Bier belegen. Mit diesem Gedanken entstand die Basler Brauerei überhaupt erst.

Wie der Name schon irgendwie sagt, steht Unser Bier für Regionalität und Offenheit gegenüber den Kunden. Nach ersten Bierbrauerfahrungen des Kommunikationsberater Istvan Akos und des Verfahrensingenieurs Claude Kuhn im Jahr 1996, entstand die Idee einen Hobbybrauerverein und eine professionelle Brauerei zu gründen. Der Plan war es, die Kunden miteinzubeziehen und so wurde eine Aktiengesellschaft gegründet. Heute „gehört“ Unser Bier 9300 Aktionären. „Es war von Anfang an das Konzept, dass es eine Brauerei zum Mitmachen und Reinschauen ist.“, sagt Florian Schmid. Mittlerweile ist die ehemalige kleine Brauerei gewachsen und braute zum Beispiel im letzten Jahr 6000 Hektoliter.

Die Brauerei und das Restaurant auf dem Gundeldinger Feld

Die dazugehörige Braustube, die Donnerstag- und Freitagabends geöffnet hat, schenkt neben den „Standardbieren“ der Brauerei auch immer ein Monatsbier aus. Und die Monatsbiere sind etwas ganz besonderes, wie mir Herr Schmid erzählt: „Wir haben eine Versuchsbrauerei mit 100 Liter Tanks, was praktisch ist weil wir dort halt auch experimentieren können. Die Vielfalt unserer Biere zeichnet uns aus und die Möglichkeit uns an kleinen Tanks zu probieren, hilft uns neue Biere zu entwickeln und diese vielleicht auch einmal in das normale Sortiment aufzunehmen.“ So komme ich in den Genuss ein im Holzfass gereiftes Stout zu probieren, welches sich im Fass durch eine zweite Gärung noch einmal grundlegend geändert hat. Eine Geschmacksbombe mit sich ständig abwechselnden Aromen nach Kaffee, Wacholder, Räucherspeck und einer prägnanten Säure. Ein spannendes Bier für Liebhaber.

Florian Schmid schenkt ein

Rein mit Schweizer Produkten zu brauen, geht nicht. Da sind sich meine Gesprächspartner einig. „Es gibt in der Schweiz keine einzige eigene Mälzerei mehr.“, erläutert Anita Treml Nidecker, „Wir könnten wahrscheinlich gar nicht genug Gerste anbauen, damit alle Brauereien abgedeckt werden.“ Für das Ueli Bier kommt der Naturhopfen aus dem naheliegenden Bodenseegebiet in Deutschland. „Wir arbeiten mit ganzen Hopfendolden, das ist uns wichtig und wir finden, dass sich das merklich auf den Geschmack auswirkt.“ Florian Schmid arbeitet lieber mit Hopfenpellets und bezieht 90 % des Rohstoffbedarfs dafür aus der Schweiz. „Wir bekommen unseren Hopfen von Erwin Ackermann, aus dem Kanton Solothurn, das ist gute 40 km weg von hier. Meines Wissens ist Herr Ackermann der einzige Bio-Hopfenbauer in der Schweiz.“

Als Craft Bier Produzenten würde ich Unser Bier und Ueli Bier nicht bezeichnen. Sie sehen sich selbst auch nicht als solche. Tradition und Regionalität stehen im Vordergrund. Die Geschichte und die Menschen dahinter werden hervorgehoben. Dazu kommen neue Ideen und Spielereien, ohne aus Übermut den eigenen roten Faden zu verlieren. Authentisch ist vielleicht das Wort, mit dem ich beide Brauereien und ihre Biere beschreiben würde

Meine Exkursion in die Basler Bierwelt war spannend und weit lehrreicher als erwartet. So viel Geschichte, so viel Basler Tradition. Und so spaziere ich noch ein wenig am Rhein entlang, durch Kleinbasel und in die Altstadt. Die Nähe der französischen und der deutschen Grenze beeinflusste die Stadt sehr, wie ich gehört habe, und nun vielerorts auch erkennen kann. Mit dieser Erkenntnis gehe ich auf ein Bier und sehe der Sonne beim Untergehen zu.

Kostnotizen

Unser Bier

Verkostung in der Brauerei

Grünhopfen
5,7% Vol.
Mit erntefrischem Hopfen gebraut
In der Nase viel frisches Kernobst (im Vordergrund grüner Apfel) und Zitrus
Am Gaumen wieder fruchtig wobei sich eine süße Pfirsich zum sauren Apfel gesellt. Eine saftige, frische Kombination mit einer feinen Bittere im Abgang, sehr süffig

Drummler, Festbier
5% Vol.
In der Nase blumig und grasig mit einer frischen Mandarine als süß-fruchtiges Beispiel
Am Gaumen bestätigen sich die fruchtigen Noten und die weiße Blumen stechen hervor. Saftig im Abgang mit einer eher verhaltenen Bittere, die erst im Nachhall kommt

Aypiey, IPA
7% Vol.
Die Basler Antwort auf den IPA Trend: Helles Bier mit viel Malz und viel Hopfen.
In der Nase aromatische Grapefruit und Litschi mit Anklängen von Heu
Am Gaumen würzig, grasig, zuerst eher verhaltene Frucht mit Ananas und Grapefruit. Grüne Noten bleiben am Gaumen und Bittere hallt nach

Ueli Bier

Kostplatte im Restaurant Linde

Reverenz Spezial
5% Vol.
In der Nase blumig und mit Anklängen von Steinobst
Am Gaumen hocharomatisch, fruchtig nach Steinobst und blumig mit einer angenehme Bittere. Schönes Mundgefühl und guter Trinkfluss

Robur dunkel
4,8% Vol.
In der Nase leichte Schokolade und Kaffee, Anklänge von Tannenzapfen
Am Gaumen überraschend frisch und fruchtig, Erinnerung an Kirsche, Kakao und Kaffee

Weizen Obergärig
5,4% Vol.
In der Nase typische Weizennoten nach Banane und Nelke
Am Gaumen kommt eine frische Vanilleblüte und weiße Blumen hinzu. Zimt, Nelke und Banane spielen sich mit einer spritzigen Säure. Sehr erfrischend und durstlöschend

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